Praxisvertretung bei Urlaub und Krankheit: Was gilt wirklich?

Die Frage der ärztlichen Vertretung führt im Praxisalltag immer wieder zu Unsicherheit. Viele Kolleginnen und Kollegen erleben, dass Vertretungen schwer zu organisieren sind, gleichzeitig stehen unterschiedliche Aussagen im Raum: Einerseits heißt es, Ärzte seien zur Vertretung verpflichtet, andererseits nur „gehalten“, sich gegenseitig zu unterstützen. Der scheinbare Widerspruch lässt sich juristisch klar auflösen.

Berufsrechtlich gibt es keine zwingende Pflicht, die Praxis eines Kollegen zu vertreten. Die Berufsordnung der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz formuliert bewusst zurückhaltend. Ärztinnen und Ärzte sollen grundsätzlich bereit sein, sich gegenseitig zu vertreten. Dieses „Sollen“ beschreibt eine kollegiale Erwartung, aber keine einklagbare Verpflichtung. Niemand kann berufsrechtlich gezwungen werden, eine Vertretung zu übernehmen.

Anders ist die Lage aus Sicht des Vertragsarztrechts. Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind verpflichtet, die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten auch während einer vorübergehenden Abwesenheit sicherzustellen. Wer seine Praxis wegen Urlaubs, Krankheit oder Fortbildung schließt, darf die Versorgung nicht einfach unterbrechen. Es muss eine ärztliche Vertretung organisiert werden, die tatsächlich erreichbar ist und die Behandlung übernimmt.

In der Praxis wird häufig auf „die umliegenden Ärzte“ verwiesen. Patienten finden dann Hinweise, sie könnten sich an benachbarte Praxen wenden. Das ist rechtlich problematisch. Ein bloßer Verweis ohne konkrete Absprache genügt in der Regel nicht. Die Sicherstellungspflicht verlangt eine real organisierte Vertretung. Die Verantwortung bleibt bei der abwesenden Praxis, nicht bei den Kolleginnen und Kollegen im Umfeld.

Zulässig ist eine Vertretung durch eine andere Praxis dann, wenn diese vorher abgestimmt ist und der vertretende Arzt oder die vertretende Ärztin der Übernahme ausdrücklich zugestimmt hat. Für Patientinnen und Patienten muss klar erkennbar sein, wer die Vertretung übernimmt und wie diese erreichbar ist. Einseitige Aushänge ohne Absprache sind weder rechtssicher noch kollegial.

Was aber gilt, wenn sich trotz ernsthafter Bemühungen kein Vertreter findet? Diese Situation ist inzwischen keine Ausnahme mehr, sondern vielerorts Realität. Rechtlich ist hier wichtig: Die Pflicht zur Sicherstellung der Versorgung ist keine Erfolgspflicht, sondern eine Bemühenspflicht. Das Vertragsarztrecht verlangt nicht, dass unter allen Umständen ein Vertreter gefunden wird. Es verlangt, dass rechtzeitig, ernsthaft und nachvollziehbar versucht wird, eine Vertretung zu organisieren.

Kann trotz dieser Bemühungen kein Vertreter gewonnen werden, ist eine zeitlich begrenzte Praxisschließung zulässig. Weder Berufsordnung noch Vertragsarztrecht verpflichten Ärztinnen und Ärzte dazu, auf Urlaub zu verzichten, nur weil die Versorgungslage angespannt ist. Es gibt keine rechtliche Grundlage für eine faktische Urlaubssperre. Entscheidend ist der professionelle Umgang mit der Situation: dokumentierte Anfragen, transparente Kommunikation und eine klare Information der Patientinnen und Patienten, insbesondere über den ärztlichen Bereitschaftsdienst und Notfallstrukturen.

Auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ist Offenheit sinnvoll, vor allem bei längeren oder wiederholten Abwesenheiten. Wer darlegt, dass objektiv keine Vertretung verfügbar war, handelt rechtlich korrekt. Die Verantwortung liegt dann nicht beim einzelnen Arzt, sondern bei den strukturellen Rahmenbedingungen.

Die Ärzte-Zulassungsverordnung erlaubt Vertretungen bei Urlaub oder Krankheit für begrenzte Zeiträume. Dauert eine Vertretung länger als eine Woche, ist sie der KV anzuzeigen. Auch die fachliche Eignung der Vertretung und eine transparente Information der Patienten sind zu beachten. Fehlt es an einer real verfügbaren Vertretung, entbindet das nicht von Sorgfalt, aber von der Pflicht zum Unmöglichen.

Für die Praxis bedeutet das zusammengefasst: Niemand ist verpflichtet, die Praxis eines anderen zu vertreten. Wer aber als Vertragsarzt seine eigene Praxis vorübergehend schließt, ist verpflichtet, sich ernsthaft um eine Vertretung zu bemühen und die Versorgung seiner Patienten verantwortungsvoll zu organisieren. Der pauschale Hinweis auf umliegende Praxen reicht dafür nicht aus. Gelingt trotz nachweislicher Bemühungen keine Vertretung, darf Urlaub dennoch genommen werden.