Zum 1. Januar 2026 tritt die Neuregelung der hausärztlichen Vorhaltepauschale (EBM-Nr. 03040) in Kraft. Die Änderungen, die ursprünglich bereits für das vierte Quartal 2025 geplant waren, wurden vom Bewertungsausschuss am 19. August 2025 beschlossen. Auch wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Pauschale und mögliche Zuschläge automatisch anhand der Quartalsabrechnung zuweisen, erfordert das neue System von den Praxen ein hohes Maß an strategischer Planung und Kontrolle.
Das neue Vergütungssystem im Detail
Die Struktur der Vorhaltepauschale wird grundlegend überarbeitet. Sie setzt sich künftig aus einer Basispauschale und mehreren möglichen Zuschlägen zusammen, die auf der Erfüllung spezifischer Kriterien beruhen.
- Grundpauschale (Nr. 03040): Die Bewertung der Pauschale sinkt von bisher 138 Punkten auf 128 Punkte.
- Zuschlag I (Nr. 03041): Praxen, die mindestens zwei, aber weniger als acht der zehn definierten Kriterien erfüllen, erhalten einen Zuschlag von 10 Punkten. Für die meisten Praxen dürfte dies die bisherige Vergütung von 138 Punkten sichern.
- Zuschlag II (Nr. 03042): Werden mindestens acht Kriterien erfüllt, erhöht sich die Pauschale um 30 Punkte. Dies stellt für Praxen mit breitem Leistungsspektrum eine deutliche Verbesserung von 20 Punkten pro Behandlungsfall dar.
Die bisherigen Regelungen zur Praxisgröße werden angepasst: Der Zuschlag für Praxen mit mehr als 1.200 Fällen pro Arzt wird von 13 auf 9 Punkte reduziert. Der Abschlag von 13 Punkten für Praxen mit weniger als 400 Fällen bleibt bestehen.
Achtung: empfindlicher Abzug bei zu wenig Impfungen
Eine wichtige Neuerung ist eine Sanktionsregelung: Praxen, die weniger als 10 Schutzimpfungen im Quartal abrechnen, müssen mit einem Abschlag von 40 Prozent auf die Grundpauschale (Nr. 03040) rechnen. Die Bewertung sinkt dann um 51,2 Punkte auf nur noch 76,8 Punkte. Ausgenommen von dieser Regelung sind diabetologische Schwerpunktpraxen, HIV-Schwerpunktpraxen und Substitutionspraxen.
Die 10 Kriterien für Zuschläge im Überblick
Die KVen prüfen quartalsweise, ob die folgenden Kriterien erfüllt sind. Entscheidend ist das Verhältnis der Leistungsanzahl zur Gesamtzahl der Behandlungsfälle in der Praxis.
- Haus- und Pflegeheimbesuche: Mindestens 5 % der Fälle müssen Leistungen wie Besuche (01410), Mitbesuche (01413) oder Besuche durch nicht-ärztliche Praxisassistenten (NäPa) (03062, 03063) umfassen.
- Geriatrische & Palliativmedizinische Versorgung: Mindestens 12 % der Fälle müssen Leistungen aus der hausärztlich-geriatrischen Betreuung (z. B. 03362) oder der palliativmedizinischen Versorgung (z. B. 03371, 37300 ff.) enthalten.
- Kooperation mit Pflegeheimen: In mindestens 1 % der Fälle müssen Koordinationsleistungen in Pflegeheimen (Abschnitt 37.2, z. B. 37100, 37105) abgerechnet werden.
- Schutzimpfungen: Die Impfquote muss in den Quartalen 1 bis 3 mindestens 7 % betragen, im 4. Quartal (Grippesaison) sogar 25 %.
- Kleinchirurgie & Wundversorgung: Mindestens 3 % der Fälle müssen kleinchirurgische Eingriffe (02300-02302) oder die Behandlung chronischer Wunden (z. B. 02310, 02311) beinhalten.
- Ultraschalldiagnostik: In mindestens 2 % der Fälle müssen Sonografien der Schilddrüse (33012) und/oder des Abdomens (33042) durchgeführt werden.
- Hausärztliche Basisdiagnostik: Mindestens 3 % der Fälle müssen technische Leistungen wie Belastungs-EKG (03321), Langzeit-Blutdruckmessung (03324) oder Spirometrie (03330) umfassen.
- Videosprechstunden: In mindestens 1 % der Fälle muss der Zuschlag für Videosprechstunden (01450) abgerechnet werden.
- Kooperative Tätigkeit: Die Tätigkeit in einer (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft oder in einer Praxis mit angestellten Ärzten oder die regelmäßige Teilnahme an Qualitätszirkeln.
- Erweiterte Sprechzeiten: Angebot von Sprechstunden von mindestens 60 Minuten Dauer alle 14 Tage zu Randzeiten (z. B. mittwochs/freitags nach 15 Uhr, werktags nach 19 Uhr oder vor 8 Uhr). Diese müssen der KV gemeldet werden.
Was Praxen ab 2026 beachten sollten
Obwohl die Zuschläge automatisch zugesetzt werden, entsteht für die Praxen ein erheblicher Mehraufwand für Monitoring und Steuerung.
- Kriterien strategisch prüfen: Analysieren Sie quartalsweise, welche Kriterien Sie sicher erfüllen und wo Sie nachsteuern müssen. Ziel sind mindestens zwei Kriterien für den kleinen Zuschlag (Nr. 03041), idealerweise acht oder mehr für den großen Zuschlag (Nr. 03042).
- Impfquote absichern: Planen Sie Impfaktionen oder spezielle Sprechstunden, um den Abschlag von 40 % sicher zu vermeiden.
- Strukturelle Kriterien melden: Melden Sie Ihre erweiterten Sprechzeiten verbindlich an die KV. Halten Sie Nachweise über Kooperationen und die Teilnahme an Qualitätszirkeln bereit.
- Praxissoftware nutzen: Verwenden Sie die Auswertungsmöglichkeiten Ihrer Software, um die prozentualen Anteile der Leistungsgruppen im Blick zu behalten und frühzeitig gegenzusteuern.
Einordnung durch MEDI Südwest
Die Neuregelung ist formal zwar extrabudgetär, bleibt jedoch ausgabenneutral, da vorhandene Mittel lediglich umverteilt werden. Für die meisten Hausarztpraxen bedeutet das im besten Fall eine gleichbleibende Vergütung, aber verbunden mit einem erhöhten internen Kontroll- und Verwaltungsaufwand. Während die Politik von einer Stärkung der hausärztlichen Versorgung spricht, implementiert sie in der Praxis ein komplexes Steuerungssystem, das Praxen unter Druck setzt, ihr Leistungsspektrum permanent zu überwachen und anzupassen.
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