Hausärzteschaft im Wandel: Studie offenbart drängende Herausforderungen und klare Wünsche

Aktuelle Bertelsmannumfrage

Eine aktuelle, umfassende Befragung von fast 4.000 Hausärztinnen und Hausärzten in Deutschland, durchgeführt von der Bertelsmann Stiftung und der Universität Marburg, zeichnet ein klares Bild: Die Ärzteschaft ist hoch engagiert, aber durch erhebliche Arbeitslast und Bürokratie stark gefordert. Der Wunsch nach flexibleren Arbeitsmodellen und einer intelligenten Aufgabenverteilung ist groß, während eine massive Ruhestandswelle die Versorgungssicherheit bedroht.

Die zwischen November 2024 und Februar 2025 durchgeführte Studie beleuchtet die Sorgen, die Arbeitsrealität und die Zukunftspläne der deutschen Hausärzteschaft. Die Ergebnisse sind ein unmissverständlicher Appell an die Politik und die Selbstverwaltung, die Rahmenbedingungen zügig zu modernisieren.

Die Realität in den Praxen: Zwischen Zufriedenheit und Überlastung

Trotz der hohen Belastung – mit durchschnittlich 44 Wochenstunden und über 47 Patientenkontakten pro Tag – zeigt die Studie eine bemerkenswert hohe Arbeitszufriedenheit. Knapp drei Viertel (73 %) der Befragten sind mit ihrer Situation grundsätzlich zufrieden. Besonders auffällig ist die Kluft zwischen Selbstständigen und Angestellten: Während angestellte Ärzte mit 32,3 Stunden pro Woche auskommen, leisten Selbstständige mit 48,5 Stunden deutlich mehr.

Ein klares Hindernis im Praxisalltag stellt die Digitalisierung dar. Ein signifikanter Teil der Praxen leidet regelmäßig unter Softwareproblemen. 25 % der Befragten berichten von täglichen und weitere 42 % von wöchentlichen Störungen, die die Abläufe und die Patientenversorgung massiv beeinträchtigen.

Der Ruf nach Veränderung: Delegation als Schlüssel zur Entlastung

Der drängendste Wunsch der Ärzteschaft ist eine bessere Aufgabenverteilung. Eine überwältigende Mehrheit ist bereit, Tätigkeiten an andere qualifizierte Berufsgruppen abzugeben. Besonders bei routinemäßigen Hausbesuchen (59 %) und Impfungen (53 %) sehen die Ärzte großes Potenzial für eine Delegation. Folgerichtig schätzen 72 % der Befragten das eigene Entlastungspotenzial durch eine solche Neuorganisation als „sehr groß“ oder „eher groß“ ein.

Die Prinzipien für eine solche Zusammenarbeit werden klar befürwortet: 74 % unterstützen den Grundsatz „Wer kann, der darf“, und sogar 84 % stehen hinter dem Prinzip „Wer behandelt, der haftet“. Dies zeigt den klaren Wunsch nach mehr Eigenverantwortung für alle Gesundheitsberufe.

Am Scheideweg: Praxisabgaben und die Zukunft der Niederlassung

Die Studie offenbart eine bevorstehende, massive Ruhestandswelle. Jeder dritte selbstständige Hausarzt (36 %) plant, seine Praxis in den nächsten fünf Jahren abzugeben. Dies stellt die Sicherung der flächendeckenden Versorgung vor immense Herausforderungen.

Gleichzeitig zeigt sich ein Wandel in den Karrierewünschen. Während insgesamt 73 % der Ärzte langfristig eine Selbstständigkeit anstreben, bevorzugen gerade jüngere Medizinerinnen und Mediziner zunächst häufiger ein Angestelltenverhältnis, das mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance verspricht.

Fazit: Ein klarer Auftrag an die Gesundheitspolitik

Die Ergebnisse der Hausärztebefragung sind ein Weckruf. Um die hausärztliche Versorgung in Deutschland zukunftsfest zu machen, müssen die Rahmenbedingungen dringend angepasst werden. Dazu gehören nicht nur funktionierende digitale Lösungen, sondern vor allem die konsequente Umsetzung neuer, interprofessioneller Zusammenarbeitsmodelle. Die Politik ist gefordert, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit qualifizierte nicht-ärztliche Berufe mehr Verantwortung übernehmen können. Nur so kann dem drohenden Ärztemangel effektiv begegnet und die hohe Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten langfristig gesichert werden.