Nur Linke Tasche-rechte Tasche?

Liebe MEDI-Südwest Mitglieder,
der Berg hat gekreist und gebar eine Maus. So oder so
ähnlich konnte man in der Vergangenheit öfters die
Verhandlungen der KBV mit den Krankenkassen
charakterisieren.
Punktsummenneutralität
Auch diesmal waren standen die Zeichen für eine
Reform nach dem altbewährten Motto Linke Tasche, rechte Tasche gut. Die Rahmenbedingungen wurden
durch die Eckpunkte des Bewertungsausschuss vom
Oktober 2012 und die Vorgaben des TSVG vom Mai 2019 klar vorgegeben. Demnach stand die Förderung
der sprechenden Medizin, sowie die Neubewertung von Leistungen mit hohem technischen Leistungsanteil
im Blickpunkt der Reform. Alles aber immer punktsummenneutral. Das bedeutet, dass sich durch
die Reform das gesamte abrechenbare
Punktzahlvolumen für morbiditätsbezogene
Leistungen, als auch für die extrabudgetären
Leistungen nicht ändern darf. Im Klartext heißt das, dass es kein neues Geld, sondern vielmehr mal wieder
eine Umverteilung der vorhandenen, ohnehin viel zu geringen Geldern innerhalb der jeweiligen Arztgruppen
gibt.
Förderung der sprechenden Medizin
Die Vorgaben des TSVG dazu waren auch im Vorfeld
der Einigung klar formuliert. Die sprechende Medizin soll gefördert und die technischen Leistungen
abgewertet werden. Hiervon sind vor allem die technischen Fachgruppen betroffen. Aber auch die von
Hausärzten erbrachten technischen Leistungen wie LZEKG, LZ Blutdruck und vor allem die Sonographie
wurden abgesenkt, teilweise bis zu 10%.
Und damit nicht genug, wurden bei den Hausärzten
auch noch gleich eine Neubewertung der Versichertenpauschalen vorgenommen und natürlich
abgewertet.
Zeitansätze im Schnitt 30% gesenkt
Da tröstet es auch wenig, dass die Zeitansätze der Leistungen des Anhang 3 im EBM mit fast 30% im
Durchschnitt gesenkte wurde. Hier hat man endlich offiziell das bestätigt, was viele Kolleginnen und Kollegen, die in Plausibilitätsverfahren gegängelt wurden, schon immer vermutet haben: die Zeitansätze
des EBM waren handwerklich schlecht gemacht und einfach viel zu hoch. Die Leistungen konnten dank den medizinischen Fortschritten und den Delegationsmöglichkeiten faktisch schneller erbracht
werden. Das Risiko von Plausibilitätsprüfungen dürfte
für viele Praxen damit sinken.
Hausbesuche werden noch erhöht
Kurz vor Ende der Verhandlungen wurde noch ein Vorstoß der Krankenkassen, die Hausbesuche deutlich zu erhöhen, vertagt. Zum Glück, denn der Grund
hierfür ist klar: da es kein neues Geld gibt und die Punktsummenneutralität eingehalten werden muss,
wollte man von Seiten der Kassen die hausärztlichen Versichertenpauschalen noch weiter senken und so die
Hausbesuche gegenfinanzieren. Zusätzlich sollte noch
die Vorhaltepauschale, sowie die fachärztlichen Grundpauschalen gekürzt werden. Man darf also
gespannt sein, wie die Einigung zur Gegenfinanzierung in diesem Jahr aussehen wird.
Große Praxen verlieren
Was bedeutet das im Ergebnis? Im hausärztlichen Bereich werden vor allem kleinere Praxen mit einem
hohen Anteil an Gesprächsleistungen von der Umschichtung profitieren, da man die Absenkung der
Versichertenpauschalen kompensieren kann. Große
Praxen, die eine hohe Fallzahl und / oder viele technische Leistungen haben, gehören zu den Verlierern. Hier befürchten viele Kolleginnen und Kollegen Umsatzeinbußen von bis zu 30%

Fatale Zeichen für Nachwuchs
An diesem Punkt muss man sich nochmal die derzeitige,
bundesweite Lage der ambulanten ärztlichen Versorgung vor Augen führen. Wir alle leiden unter
den Problemen, dass immer weniger ärztlicher Nachwuchs den Weg in die Versorgung findet, immer
mehr Praxen werden ohne Nachfolger geschlossen.
Der Nachbesetzungsdruck gerade in Rheinland-Pfalz ist riesig und man kann kaum mehr davon sprechen, dass die Versorgung überall im Lande gewährleistet ist.
Händeringend werden Ärzte gesucht, die helfen die Versorgung aufrechtzuerhalten. Immer mehr Praxen schließen sich gezwungenermaßen zu größeren
Einheiten zusammen, um die Versorgung gemeinsam
aufrechtzuerhalten und jungen Ärzten bessere
Einstiegsmöglichkeiten bieten zu können. Die Entwicklung muss also von den Einzelpraxen, hin zu
modernen, kooperativen Versorgungsformen, wie
beispielsweise MVZ gehen, will man den politisch verschuldeten Ärztemangel kompensieren und
ärztlichen Nachwuchs für sich gewinnen.
Abbau der Versorgung die Folge
Und genau in dieser Zeit setzen KBV und Krankenkassen so falsche und völlig an der Versorgungsrealität vorbeigehende Zeichen und
strafen genau die größeren Einheiten ab. Große Versorgerpraxen haben selbstverständlich höhere
Fallzahlen und Versichertenpauschalen und damit auch die finanziellen Mittel um technische, gerätebasierte
Leistungen wie Sonographie anzubieten. Beides wird
jetzt abgewertet und manche Praxen dürften teilweise vor erheblichen Umsatzeinbußen stehen, die
irgendwie kompensiert werden müssen. Die Kostenstrukturen der Praxen bleiben gleich, Kredite
und Leasingverträge für teure Sonos,
Langzeitblutdruck und -EKG Geräte müssen bedient werden, die Gegenfinanzierung fällt ab 01.04. aber
teilweise aus. Ein unzumutbarer und unverschämte Eingriff in die ärztliche Versorgung, die ganz sicher nicht ohne Folgen bleiben wird. Der Ärztemangel wird so forciert, jungen Ärzten ist so eine kopflose und
realitätsfremde Politik nicht zu vermitteln.
Geballte Inkompetenz
Das grundsätzliche Problem ist klar, die Politik möchte bei den Patienten den Eindruck erwecken, dass sie im
Interesse der Patienten handelt. Das war schon im Rahmen der lächerlichen Umgestaltungen des TSVG erkennbar. Alles Stückwerk, alles reine Kosmetik und alles zu Lasten der Ärzteschaft. Das Gegenteil ist aber der Fall, die Konsequenzen werden die Patienten
deutlich zu spüren bekommen. Immer weniger Ärzte,
gerade in ländlichen Regionen sind vorhanden. Hausärzte fehlen fast überall. Für viele Hausärzte
dürften Sonographie, Langzeit EKG und
Langzeitblutdruckuntersuchungen ab sofort aber unwirtschaftlich werden. Man wird sich zweimal überlegen müssen, ab man teure Geräte anschaffen soll und kann. Vor allem, wenn man jetzt schon weiß,
dass man von Seiten der Kassen im neuen Jahr gerne die Axt an den Vorhaltepauschalen ansetzen möchte.
Die Versorgung wird somit sicher nicht besser, wenn den Patienten zukünftig technische Leistungen nicht
mehr ohne größere Hürden zugänglich sind. Zusätzlich
werden die gesenkten Versichertenpauschalen und der
vorhandene Kostenapparat bei manch großen Praxen dazu führen, dass noch mehr Patienten behandelt
werden müssen, um kostendeckend arbeiten zu können. Der Leistungsdruck auf die Ärzte nimmt
dramatisch zu, also der genaue Gegeneffekt zur gewünschten sprechenden Medizin. Kleine Praxen,
oftmals schon am Rande der Leistungsfähigkeit, werden hier natürlich keine Anreize sehen mehr
Patienten zu versorgen, was im Angesicht des Ärztemangels dringend notwendig wäre. Vielmehr
wird man die Gesprächsziffern ausreizen und die politisch gewollte sprechende Medizin liefern. Die
Versorgung wird also nicht gestärkt, eher das Gegenteil ist der Fall.
Maximalforderungen der Kassen
Das Vorhaben die Bewertung der Hausbesuche zu steigern und das im Rahmen der Punktsummenneutralität, sprich ohne zusätzliches Geld, wirkt da schon fast wie Hohn. Die Kassen gehen
unter dem Schutzschild der Punktsummenneutralität
mit Maximalforderungen in den Ring und haben es
teilweise fast durchgängig geschafft sich durchzusetzen. Die Leidtragenden sind die Ärzte, die
unter massiv gesteigertem Kostendruck, die vielerorts
nicht mehr vorhandene Versorgung aufrechterhalten und dabei noch mehr leisten müssen. Es ist schon fast
klar, dass dies auf Seiten der Ärzteschaft dazu führen
wird, dass der ohnehin große Verdruss steigt. Die Bürokratie, die Gängelung durch
Prüfungseinrichtungen, Kammern und KV, sowie jetzt die enteignungsgleichen Eingriffe in die Praxen haben ein Ausmaß angenommen, das unerträglich ist. Jungen Ärzten kann man nicht verdenken, dass sie sich dieses
Dilemma nicht antun und dem ambulanten Sektor einfach fernbleiben.
Verhandlungen abbrechen ist erlaubt
Diese Entwicklung hat dank des Versagens der KBV
nochmals Fahrt aufgenommen. Die Frage warum man
dieses Spiel der Kassen nicht beendet und die
Verhandlungen erneut abgebrochen hat, muss sich der
Vorstand gefallen lassen. Die Ärzteschaft und auch die
Verbände müssen sich hier geschlossen klar
positionieren: So geht es nicht weiter, die Politik fährt
die ambulante medizinische Versorgung sehenden
Auges an die Wand.
Dr. med. Ralf Schneider