Arzneimittelknappheit – ein von Politik und Kassen produziertes Problem und was die Ärzteschaft daraus lernen muss

Viele Praxen sind wegen grassierender Atemwegsinfekte gerade voll – zugleich stockt der Nachschub bei bestimmten Arzneimitteln nicht nur für Kinder. 

Wir alle erleben es täglich in den knallvollen Praxen, die PatientInnen sind verstärkt von saisonal üblichen Atemwegsinfekten betroffen, bei vielen kommen Corona oder auch Grippeinfektionen hinzu.

Auch der Krankenstand befindet sich in vielen Praxen auf dem Höchststand, manche Praxen müssen krankheitsbedingt schließen. Das medizinische Fachpersonal ist im dritten Jahr infolge damit erneut einer enormen Belastung ausgesetzt – die Politik interessiert sich dafür wie gewohnt nicht. Der Blick geht ausschließlich in die Krankenhäuser.

Jetzt tritt aber dafür ein Problem auf, das von der Politik und den Kassen selbst produziert wird.

Jahrelanger Sparzwang kommt wie Boomerang zurück

Während früher Diskussionen um autidem Kreuze bei generischen Medikamenten an der Tagesordnung waren, sind zwischenzeitlich viele Medikamente so knapp geworden, dass die PatientInnen froh sein können, wenn sie überhaupt ein Medikament erhalten.

Was mit den Pneumovax-Impfungen anfing und sich über die Coronaimpfungen fortsetzte, hat sich jetzt eben auch in elementarere Bereiche fortgesetzt. Zuletzt gab es Lieferschwierigkeiten bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen, etwa Krebsmedikamente und Antibiotika, Diabetesmedikamente.

Die Gründe dafür liegen klar auf der Hand: Der Rabattwahnsinn der Kassen, die jahrelang möglichst hohe Rabattverträge am Markt durchgesetzt und die Pharmahersteller damit förmlich aus dem Land gedrückt haben. ‘Ärzte wurden mit Regressen gefügig gemacht, die autidem-Quoten dementsprechend gemonitort und deren Nichteinhaltung unter Sanktionen gestellt.

Jetzt ist das eingetreten, wovor immer gewarnt wurde. Die Wirkstoffe und Arzneimittel wurden bis auf wenige Ausnahmen in Schwellenlandproduktionen ausgelagert. Bei unterbrochenen Lieferketten werden dann in Deutschland die Arzneimittel knapp. Ganz logisch, ganz einfach.

PatientInnen bekommen Ihre Medikamente nicht, die Anrufe aus den Apotheken in die Praxen nehmen täglich zu, teilweise normalste Verordnungen können nicht bedient werden und müssen geändert werden. Zusätzlicher Stress und Ärger für die Praxisteams.

Jetzt passiert, was so oft im Gesundheitssystem an der Tagesordnung ist. Politik und Kassen bekommen über die Medien Druck und suchen nach “dem Schuldigen”. Lauterbach vereinbart hektisch Gesprächsrunden mit “der Pharmaindustrie” und versucht den Druck abzuwälzen. Ebenso der GKV-Spitzenverband, der Apotheken und Großhandel auffordert keine Medikamente zu horten. Ein Witz, weiß man doch, dass Medikamente sogar teilweise ins Ausland abgesetzt werden – Rabattverträge sind dort eben nicht bekannt. Das Problem ist klar hausgemacht, alle Warnungen diesbezüglich auch aus der Ärzteschaft wurden jahrelang einfach ignoriert.

Was die Ärzteschaft daraus lernen muss

Das alles ist ein gutes Beispiel dafür, wie berechenbar die Politik funktioniert, sie reagiert nur auf Druck. Das kann man auch im Moment bei den pädiatrischen Kollegen wieder erkennen. Die massive Erkrankungswelle bei den Kindern, kombiniert mit den fehlenden Krankenhauskapazitäten und den fehlenden Medikamenten führt jetzt dazu, dass das BGM fast panisch eine Rolle rückwärts vollzieht, das Ende des Budgetdeckels für Kinderarztpraxen verkündet und damit künftig jede Leistung zu festen Preisen vergüten will. Jahrelange Apelle der Ärzteschaft blieben dagegen ungehört.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns ein Anreiz sein, gegen die vernichtende Sparpolitik des Herrn Lauterbach weiterhin Sturm zu laufen. Es funktioniert nur, wenn der Druck aus Ihren Praxen auf den Markt umgeleitet wird. Die PatientInnen müssen spüren und wissen, dass die Politik die Axt an die ambulante medizinische Versorgung angelegt hat.

Erst wenn die Praxistüren verschlossen bleiben und der Druck im ambulanten Markt zu groß wird, wird sich die Politik bewegen. Vorher nicht. Das ist zwar traurig, bedeutet aber im Umkehrschluss ganz klar: Sie liebe Kolleginnen und Kollegen haben es selbst in der Hand.

Schon im Januar, wo die Praxen die Türe öffnen und Patienten mitteilen müssen, dass offene Sprechstunden in dem gewohnten Umfang einfach nicht mehr angeboten werden können, könnte das zu einem Weckruf in Berlin führen. Wenn das von allen Ärzten gemacht wird, kann sich die Politik nicht lange den Sachzwängen entziehen. Helfen Sie mit, zeigen Sie der Politik und Ihren Kassen, dass es ohne Sie, den Ärztinnen und Ärzten samt Ihren Praxisteams nicht funktionieren wird.

Dr. Ralf Schneider – Vorstandsvorsitzender MEDI Verbund Südwest

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