Es reicht – Ärzteschaft lässt sich Nullrunde der Kassen und die Aufhebung der Neupatientenvergütung nicht gefallen

KBV und Krankenkassen hatten sich in den Verhandlungen nicht über eine Anpassung des Orientierungswerts für 2023 verständigt. Die Vorstellungen beider Seiten liegen weit auseinander: während die KBV eine Anhebung des Orientierungswerts unter Berücksichtigung der Inflation um fast sechs Prozent forderte, bestanden die Kassen auf einer Nullrunde.

Seit gestern steht fest: Die Praxen erhalten vorerst keinen Ausgleich für die aktuell steigenden Kosten aufgrund der hohen Inflationsrate. Der Beschluss zum Orientierungswert 2023, der am Mittwoch im Erweiterten Bewertungsausschuss gegen die Stimmen der KBV getroffen wurde, lässt alle berechtigten Argumente außer Betracht. Der Orientierungswert und damit die Preise für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen steigen danach ab 1. Januar 2023 um zwei Prozent. Damit werden lediglich Kostensteigerungen in 2021 gegenüber 2020 berücksichtigt.

 

Wegfall der Neupatientenregelung ist existenzbedrohend         

Der geplante Wegfall der Neupatientenregelung kommt hier erschwerend hinzu. Die Neupatienten-Regelung wurde mit dem TSVG eingeführt und besagt, dass ärztliche Leistungen für die Behandlung von Patienten, die erstmals oder erstmals seit mehr als zwei Jahren wieder in der jeweiligen Arztpraxis behandelt werden, extrabudgetär vergütet werden. Auf diese Weise wurde ein Anreiz für die durch Budgetierung und hohe Patientenzahlen ohnehin stark belasteten Praxen geschaffen, zusätzlich kurzfristige Termine anzubieten und neue Patienten aufzunehmen. Laut Zahlen des Zi sind mit 20 Millionen Neupatienten im vierten Quartal 2021 mehr Neupatientinnen und -Patienten behandelt worden als im selben Zeitraum zwei Jahre zuvor. Nun wird diese Entwicklung vom Gesundheitsminister frech geleugnet und die Gelder, rund 400 Mio EUR, sollen den Praxen ersatzlos entzogen werden. Ein Skandal und für die Ärzteschaft nicht hinnehmbar, wurden doch personal- und damit kostenintensive Strukturen geschaffen, die jetzt nicht mehr gegenfinanziert werden können. Das ist existenzbedrohend für viele Praxen.  
Auch die Energiekrise wird die ambulante Versorgung ebenfalls mit voller Wucht treffen, nicht nur die stromintensiven Fachgruppen wie die Radiologen, Strahlentherapeuten und Nuklearmediziner, sondern jede Praxis. Ein Hilfspaket hat Lauterbach schon parat, aber eben wieder nur für die Krankenhäuser.
Erschwerend hinzu kommen die zu recht steigenden Löhne der Angestellten, trifft die Praxen auch jetzt bereits der Fachkräftemangel mit voller Härte. Angestellte Ärzte und MFA sind mittlerweile kaum mehr zu finden. Diese Gesamtsituation führt dazu, dass die Praxen im ambulanten Bereich eine wirtschaftliche Schieflage ungeahnten Ausmaßes droht, die für viele sogar existenziell werden kann.

Proteste sind überlebenswichtig für die Praxen         
“Die Ärzteschaft muss jetzt Ihre dramatische Lage verstehen. Es geht hier nicht um die üblichen Verteilungskämpfe innerhalb der verschiedenen Fachrichtungen. Die Kassen wollen die ambulante medizinische Versorgung schlicht nicht mehr bezahlen, Lauterbach dreht daher im vorauseilenden Gehorsam den Geldhahn zu und nennt das ganze Sparzwang. Er zieht uns Ärzten aber damit knallhart den Boden unter den Füssen weg. In den Überlegungen der Politik und des Gesundheitsministerium spielt der ambulante Sektor überhaupt keine Rolle mehr!” führt Dr. Ralf Schneider, Vorstandsvorsitzender des MEDI Verbund Südwest aus.  Mit keinem einzigen Wort erwähnte der Gesundheitsminister den ambulanten Sektor bei seiner Rede zur Haushaltsdebatte im Bundestag – eigentlich schon ein Kunststück und eine Respektlosigkeit, aber in jedem Fall ein klares Zeichen, wohin die Reise geht. Man sieht ganz deutlich, dass das Gesundheitsministerium die ambulante medizinische Versorgung in Deutschland überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hat, wenn es um die Verteilung von Geldern geht. Die Ärzte können die Behandlung der Patienten demnächst aus eigener Tasche zahlen, wenn es so weiter geht. Dabei ist sehr wohl Geld vorhanden, nur wird es eben an anderen, unnötigen Stellen ausgegeben.
Rund 400 Millionen EUR sollen mit der Streichung der Neupatientenregelung eingespart werden. Alleine für die vollkommen unnötige und sinnlose Tauschaktion der Konnektoren der TI werden auf der anderen Seite aber 300 Mio EUR aus dem Gesundheitssektor raus und an die CGM umgeleitet.

Ärzteschaft muss sich endlich geschlossen wehren        
“So kann es nicht weitergehen, MEDI Südwest unterstützt daher die gemeinsame Protestaktion der rheinland-pfälzischen Praxen am 12. Oktober in Ingelheim. Wir fordern alle MEDI Mitglieder auf nach Ingelheim zu kommen und damit der Politik zu signalisieren, dass die Ärzteschaft sich das so nicht mehr gefallen lassen kann und wird!”. ruft Dr. Schneider die MEDI Mitglieder zur Unterstützung auf.
Es geht schlichtweg um den Fortbestand der gesamten ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland.