MEDI kritisiert die geplante Rücknahme der Entbudgetierung der Neupatienten im GKV-Finanzierungsgesetz durch Prof. Karl Lauterbach und beteiligt sich an Resolution der KBV
Die Ankündigung, die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführten höheren Vergütungen für Neupatienten ersatzlos zu streichen, empört die Ärzteschaft.
Die Neupatientenregelung wurde 2019 von der großen Koalition auch unter maßgeblicher Mitwirkung von Prof. Lauterbach beschlossen und eingeführt, um mit neuen Ressourcen für Personal und Infrastruktur bei Fachärztinnen und Fachärzten schnellere Termine zu ermöglichen.
Im Jahr 2019 hörte sich das aus dem Munde von Lauterbach dann auch noch so an: “Patienten sollen mehr Facharzttermine bekommen und Ärzte dafür extrabudgetär honoriert werden. Auch der Ausbau der Terminservicestellen bleibt bestehen. Diese Dinge sind für uns nicht verhandelbar. Sie waren die Bedingung für uns, dass wir als SPD in die Große Koalition gegangen sind”.
Die außerbudgetären Vergütungen für Ärzte, so Lauterbach damals, seien sinnvoll, da gerade neue Patienten viel Arbeit machten und mehr Zeit in Anspruch nähmen. Wenn eine unterbezahlte Leistung besser bezahlt werde, sei das richtig, zumal Patienten, wenn sie derzeit keine Ärzte fänden, zur Behandlung in die Kliniken auswichen. Lauterbach forderte langfristig „weniger Bürokratie, mehr Medizinstudenten und die Bürgerversicherung“.
Wortbruch bei Lauterbach
Getreu dem Motto vieler Politiker :”Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!” klingt das heute schon ganz anders.
„Wir haben lange verhandelt, wir haben sehr intensiv verhandelt, und ich denke, dass es ein guter Kompromiss geworden ist“, erklärte Lauterbach. Voraussichtlich 17 Milliarden Euro müssen eingespart werden. Bei den Honoraren der Ärzteschaft werde er keine Einschnitte machen, kündigte Lauterbach zwar an. Es gebe dort keinen Spielraum, allerdings werde er „kleinere Anpassungen“ vornehmen. Dazu erklärte der Minister, im ambulanten Bereich werde er die Neupatientenregelung streichen, die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführt worden war.
Ein Widerspruch in sich, denn gerade diese Regelung sollte den Ärzten den nötigen finanziellen Spielraum geben, Neupatienten aufzunehmen und dafür vor allem personelle und infrastrukturelle Verbesserungen in Ihren Praxen vorzunehmen.
Etwa 300 Mio EUR fallen ersatzlos weg
Man kann von ca. 300 Mio EUR ausgehen, die so den Praxen zur Verfügung standen und die jetzt ersatzlos gestrichen werden.
Die Praxen, die auf die Gelder vertraut und auch betriebswirtschaftlich gebaut haben, sehen sich nun vielerorts vor große Probleme gestellt. Neben dem eklatanten Vertrauensbruch gegenüber dem Gesundheitsminister, kommt auch ein Rückbau der geschaffenen Strukturen samt Personalabbau in Frage. Die Praxen können dann schlichtweg keine Neupatienten mehr in dem erforderlichen Maß aufnehmen, die ambulante medizinische Versorgung wird dadurch massiv verschlechtert.
Es passt aber auch wieder ins Bild, dass man im Rahmen der Pandemie auf Seiten der Ärzteschaft gewinnen konnte: Die Politik honoriert die Niedergelassenen in keiner Weise, es besteht kein Bewusstsein dafür, was die ambulante Medizin gerade in den vergangenen zwei Jahre geleistet hat. Ansonsten käme solche Ungeheuerlichkeiten gar nicht erst in Frage.
Ärzte müssen sich zur Wehr setzen
Die Ärzte sind aufgerufen sich gegen diese Anpassung zu wehren, man muss eine ganz klare Position an die Politik formulieren: Sollte die Neupatientenregelung abgeschafft werden, müssen die Ärzte die Aufnahme von Neupatienten auf ein Minimum reduzieren. Die Versorgung wird dann schlechter, weil die Politik das so möchte.
Es kann nicht sein, dass die Politik seit Jahren und Jahrzehnten bei der Ausstattung der medizinischen Versorgung komplett versagt und die Ärzteschaft die Behandlung der Patienten zumindest teilweise aus eigener Tasche bezahlen müssen.
MEDI unterstützt KBV Resolution und startet Briefaktion
Eine gemeinsame Resolution der KBV mit den 17 KVen, worin der Gesundheitsminister und der Gesetzgeber nachdrücklich aufgefordert wird, im weiteren Verfahren die angedachte Aufhebung der Neupatientenregelung fallen zu lassen, wird auch von MEDI Geno unterstüzt. Den genauen Wortlaut lesen Sie unter diesem Artikel.
Der stellvertretende MEDI -Vorsitzende, gleichzeitig SpiFa-Vorstandsmitglied und Bundesvorsitzender des BNK, Dr. Norbert Smetak startet eine Briefaktion an die Bundestagsabgeordneten der Regionen, die auch MEDI Südwest ausdrücklich unterstützt. Die Bundestagsabgeordneten von Rheinland-Pfalz finden Sie hier:
https://landesvertretung.rlp.de/fa/die-landesvertretung/mitglieder-des-bundestages/
Sie können beispielsweise den Text der Resolution an die Abgeordneten senden und so ein Bewusstsein für die Lage der Ärzteschaft schaffen.
Die Resolution im Wortlaut:
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenärztlichen Vereinigungen und die in der Konzertierten Aktion der KBV vertretenen Berufsverbände kritisieren die im Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgesehene Aufhebung der Neupatientenregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) aufs Schärfste. Die bekannt gewordenen Pläne des Bundesgesundheitsministers lösen in der niedergelassenen Ärzteschaft Unverständnis und tiefe Enttäuschung über die Unzuverlässigkeit der Politik aus.
Ein vom heutigen Bundesgesundheitsminister vor wenigen Jahren als Abgeordneter propagiertes und vorangetriebenes Gesetz soll nun in Teilen wieder zurückgedreht werden, mit dem gleichzeitigen Versprechen an die Patientinnen und Patienten, es gäbe keine Leistungskürzung.
Mit dem Inkrafttreten des TSVG haben die Ärztinnen und Ärzte – im Vertrauen auf den Bestand dieser Regelungen – die Abläufe in den Praxen umgestellt. Der angekündigte Wegfall der Neupatientenregelung würde nicht ohne massive Folgen – wie etwa längere Wartezeiten auf Termine – bleiben. Wir werden dies in der öffentlichen Diskussion in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen und aufzeigen, dass diese Folgen von der Politik so gewollt sind.
Gerade in den letzten zwei Pandemie-Jahren hat sich das ambulante System in Deutschland wieder außer-ordentlich bewährt, auch wenn dies von der Politik nur selten öffentlich anerkannt worden ist. Die ambulante flächendeckende Versorgung in Deutschland mit einem Netz von über 100.000 Praxen ist zu Recht als Schutzwall für die Krankenhäuser bezeichnet worden. 19 von 20 Corona-Patienten wurden ambulant behandelt.
In der Impfkampagne waren die Praxen der entscheidende Faktor, um in kurzer Zeit viele Menschen zu impfen. Seit Beginn der nationalen Impfkampagne in Arztpraxen im April 2021 haben die niedergelassenen Haus- und Fachärzte über 90 Millionen COVID-19 Impfungen durchgeführt.
Dies alles war nur möglich durch das außerordentliche Engagement der gesamten Praxisteams, die bis heute an der äußersten Belastungsgrenze dafür sorgen, dass die ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten verlässlich sichergestellt ist. In dieser angespannten Situation, in der die Praxen derzeit stehen, ist damit zu rechnen, dass es bei Wegfall der Neupatientenregelung längere Wartezeiten auf Termine geben wird.
Auch vor dem Hintergrund der anstehenden, von der Politik intendierten Ambulantisierungskampagne ist nicht nachzuvollziehen, dass Kürzungen im ambulanten Bereich angedacht werden.
Wir fordern den Gesundheitsminister und den Gesetzgeber nachdrücklich auf, im weiteren Verfahren die angedachte Aufhebung der Neupatientenregelung fallen zu lassen.
Neben der KBV und den 17 KVen unterstützen folgende Verbände die Resolution:
- Akkreditierte Labore in der Medizin e.V. (ALM)
- Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Gefäßchirurgen Deutschlands (ANG)
- Berufsverband der Ärzte und Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin (BVSD)
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA)
- Berufsverband der Coloproktologen (BCD)
- Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC)
- Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD)
- Berufsverband der Deutschen Hämostaseologen (BDDH)
- Berufsverband der Deutschen Urologen e.V. (BvDU)
- Berufsverband der Frauenärzte (BVF)
- Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ)
- Berufsverband der Phlebologen
- Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA)
- Berufsverband Deutscher Internisten (BDI)
- Berufsverband Deutscher Nervenärzte e.V. (BVDN)
- Berufsverband Deutscher Neurochirurgen e.V. (BDNC)
- Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner
- Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP)
- Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRH)
- Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP)
- Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU)
- Berufsverband Niedergelassene Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt des fachärztlichen Versorgungsbereichs Deutschland (BNFN)
- Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng)
- Berufsverband niedergelassener Psychiater und Nervenärzte (BNPN e.V.)
- Bundesverband der niedergelassenen Fachärzte
- Bundesverband der Pneumologen (BDP)
- Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen e.V. (BDOC)
- Bundesverband für Ambulantes Operieren e.V. (BAO)
- Bundesverband Hausärztlicher Internisten (BHI)
- Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND)
- Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK)
- Bundesverband Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (BDPM)
- Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstuktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)
- Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
- Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)
- Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT)
- Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V. (DPTV)
- Deutscher Berufsverband der Fachärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie (DBVPP)
- Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.
- Deutscher Facharztverband (DFV)
- Deutscher Hausärzteverband
- Seite 3 von 3 / Resolution / 13. Juli 2022
- Freie Ärzteschaft e.V.
- Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V.
- MEDI GENO Deutschland e.V.
- Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V.
- Virchowbund – Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V.