Die Welle von Regress- und Prüfanträgen im Zusammenhang mit der Verordnung von Medikamenten wie Entresto 24 mg/26 mg stellt nicht nur eine unzumutbare Belastung für Ärztinnen und Ärzte dar, sondern bedroht die Zukunft der gesamten ärztlichen Versorgung in Deutschland. Diese Anträge greifen massiv in die ärztliche Berufsausübung ein und machen es praktisch unmöglich, eine individuelle und patientenorientierte Therapie durchzuführen, ohne ständig mit existenziellen finanziellen Sanktionen rechnen zu müssen.
Dabei sind die medizinischen Gründe für niedrigere Dosierungen eindeutig: Patienten mit Hypotonie, Niereninsuffizienz oder Lebererkrankungen benötigen eine angepasste Therapie, wie es auch die Fachinformationen und die Nationale Versorgungsleitlinie zur chronischen Herzinsuffizienz bestätigen. Doch statt diese medizinisch fundierten Entscheidungen anzuerkennen, werden Ärztinnen und Ärzte zunehmend mit Prüfanträgen konfrontiert, die ihre Berufsausübung untergraben und sie in langwierige Rechtfertigungsprozesse zwingen. Bestandspatienten unter der Verordnung von Entresto Dosis 24 mg/26 mg müssen jetzt von den Ärztinnen und Ärzten aufwändig auf deren Zulässigkeit hin überprüft und gegebenenfalls entweder sofort mit Hochtitriert oder auf ein Alternativwirkstoff umgestellt werden.
Diese Entwicklung ist mehr als eine bloße Störung des Arbeitsalltags – sie ist eine akute Bedrohung für die Zukunft der ärztlichen Versorgung.
Wenn sich dieser Trend der massenhaften Einzelfallprüfungen fortsetzt, werden Ärztinnen und Ärzte zunehmend gezwungen sein, auf standardisierte, „sichere“ Dosierungen zurückzugreifen, um sich vor rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu schützen. Das Ergebnis ist eine verarmte, unflexible Versorgung, die den individuellen Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht wird und innovative Behandlungsmethoden erstickt.
Noch alarmierender ist, dass diese Bürokratie die Zukunft der gesamten Gesundheitsversorgung gefährdet. Junge Medizinerinnen und Mediziner werden durch den ständigen Druck und die Bedrohung durch Regressansprüche abgeschreckt, den ärztlichen Beruf in seiner vollen Verantwortung auszuüben. Die ohnehin angespannte Versorgungslage, besonders im ländlichen Raum, wird sich weiter verschärfen, wenn Ärztinnen und Ärzte zunehmend vor der Wahl stehen, entweder die berufliche Selbstständigkeit aufzugeben oder in einer Praxis unter ständiger Regressangst zu arbeiten.
Die Zukunft der ärztlichen Versorgung wird durch diese Regress- und Prüfpraxis unsicherer denn je. Statt den freien ärztlichen Beruf zu stärken, werden Ärzte in die Rolle von Bürokraten gedrängt, die mehr Zeit mit der Abwehr von rechtlichen Angriffen als mit der Patientenversorgung verbringen müssen. Ein radikales Umdenken ist nötig – andernfalls steuert das Gesundheitssystem auf einen Kollaps zu, der nicht nur die Ärzte, sondern vor allem die Patienten teuer zu stehen kommt.
Dr. Ralf Scheider, Vorstandsvorsitzender MEDI Südwest e.V.