Liebe MEDI-Südwest Mitglieder,
beim Neujahrsempfangs der Bezirksärztekammer Trier am 18.01.2019 hat der Vorsitzende der Bezirksärztekammer Trier und stellvertretende Vorsitzende von MEDI-Südwest, Dr. Walter Gradel, das TSVG scharf kritisiert:
„Das TSVG, das „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ … es ist das “Zitronencreme-Bällchen auf dem Kosakenzipfel” der verfehlten Gesundheitspolitik der letzten 25 Jahre.
Dieses Gesetz ist entwürdigend
Die einzige Basis auf der das gesamte Gesetz beruht, ist die Annahme, dass wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeuten zu wenig arbeiten. Und das ist einfach nicht richtig, nicht nur subjektiv aus Sicht von uns Leistungserbringern, sondern es ist auch objektiv falsch. Wir haben gute Zahlen, die das Gegenteil zeigen.
Außerdem werden unsere Patienten belogen. Es wird Ihnen vorgegaukelt, dass die Politik mit dem TSVG etwas für die Verbesserung der ärztlichen Versorgung tut, dabei ist es ein weiterer “Sargnagel” für die ambulante ärztliche Versorgung, so wie wir sie kennen.
Letztlich ist das Gesetz aber auch entwürdigend für die Politiker, die dieses “Machwerk” ersonnen haben und für diejenigen, die es unterstützen. Herr Spahn und Herr Lauterbach kennen das Gesundheitssystems so gut, dass sie genau wissen, dass das TSVG keine Verbesserung der ärztlichen Versorgung bringen wird. Und da fragt man sich schon: Sind die sich eigentlich für nichts zu schade?
Ärzte laut KBV am Leistungslimit
Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Montgomery hat gesagt: Die Ärzte arbeiten am Limit und oftmals darüber hinaus. Und damit hat er Recht. Die Sprechstundenzeiten liegen schon jetzt im Durchschnitt deutlich über den geplanten 25 h und auch dadurch, dass sie die Terminservice-Stellen zukünftig auch Sonntagnacht um 2:30 Uhr anrufen können, wird die Zahl der zur Verfügung stehenden Arzttermine nicht größer. Und damit relativiert sich auch die Zusage, dass zusätzlich Leistungen auch zusätzlich vergütet werden: 1. die
Krankenkassen werden es – wie immer – schaffen, das zusätzliche Geld an anderer Stelle wieder einzusparen und 2. haben wir gar keine Zeit, zusätzliche Leistungen zu erbringen, d.h., wenn diese Leistungen angeboten werden, dann auf Kosten anderer Leistungen. Im schlimmsten Falle anstelle von Terminen für unsere chronisch Kranken. Und wenn die Behandlung dieser Patienten leidet, dann haben wir ein echtes Versorgungsproblem.
Seit 25 Jahren wird Problemen im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung damit begegnet, dass uns Vertragsärzten irgendwelche Regelungen und Repressalien auferlegt werden. Das fängt mit Arznei- und Heilmittelbudgets an und findet vorerst seinen Höhepunkt in den völlig schwachsinnigen Terminservice-Stellen, die zu allem Überfluss auch noch von uns selbst finanziert werden müssen, und dem TSVG.
Junge Ärzte werden abgeschreckt
Junge Kolleginnen und Kollegen haben heutzutage andere Lebensentwürfe. Es sind aber auch gerade diese Repressalien, die dazu führen, dass sich immer weniger Junge Ärztinnen und Ärzte in eigener Praxis niederlassen wollen. Sie wollen lieber als angestellte Ärzte arbeiten. Angestellte Ärzte arbeiten aber 1/4 bis 1/3 weniger, als ein freiberuflich tätiger Arzt. D.h. selbst wenn wir es schaffen, genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden, um eine flächendeckende ambulante Versorgung aufrecht zu erhalten, in jedem Fall wird die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arztstunden in den nächsten Jahren drastisch sinken und dann werden sie keinen schnellen Arzttermin mehr bekommen, selbst wenn sie jedem Patienten einen eigenen Mitarbeiter bei der Termin-Servicestelle an die Seite stellen.
Wenn es heutzutage noch ein Argument gibt, junge Kolleginnen und Kollegen in die eigene Praxis zu locken, dann ist es die Tatsache, dass man hier sein „eigener Herr” ist und als Freiberufler in vorgegebenem Rahmen, Art und Umfang der eigenen Tätigkeit selbst bestimmen kann. Und wenn jetzt Herr von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband fordert, dass Ärzte mehr Sprechstunden abends und an Wochenenden anbieten sollen, da sich Krankheiten ja nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der Ärzte richten und Herr Lauterbach Beifall klatscht und meint, dass auch ihm die Ärzte zu viel Zeit auf dem Golfplatz verbringen, dann wird klar, wie abgehoben diese Menschen sind und wie wenig Ahnung sie vom Arbeitsalltag in unseren Praxen haben.
Budgetierung muss fallen
Die Krankenkassen haben sich schon seit Jahren aus ihrer Verantwortung, die ambulante ärztliche Versorgung gemeinsam mit den kassenärztlichen Vereinigungen zu gestalten, verabschiedet. Und das immer unter dem Deckmantel der Beitragsstabilität. Deshalb schaut die Politik tatenlos zu.
Wenn wir Vertragsarztsitze wieder attraktiv machen wollen und zwar für junge Kolleginnen und Kollegen und nicht nur für „Private equity Fonds“, dann müssen als 1. Schritt (es gibt sicherlich noch zahlreiche andere sinnvolle Maßnahmen), aber als 1. Schritt müssen sämtliche Mengenbegrenzungsmaßnahmen aus Zeiten der Ärzteschwemme weg, d.h. Abschaffung der budgetierten Gesamtvergütung und Abschaffung von Medikamenten- und Heilmittel-Budgets. Ich möchte betonen: es geht hier nicht primär um mehr Geld, sondern es geht ums Prinzip: Junge Kolleginnen und Kollegen sind nicht mehr bereit, das Krankheitsrisiko ihrer Patienten zu tragen und sie sehen es nicht mehr ein, wenn sie im Nachhinein feststellen müssen, dass sie Teile dessen, was sie gearbeitet haben, nicht bezahlt bekommen.
Wie lange wollen wir mitspielen?
Wir, die wir schon
länger in KV-System arbeiten, haben uns schon so daran gewöhnt, dass wir uns
darüber gar nicht mehr aufregen. Im Interesse der uns nachfolgenden
Ärzte-Generation sollten wir dies aber tun. Wir haben über die KV-en den
Sicherstellungsauftrag übertragen bekommen. Wir haben dadurch zwar das Monopol
auf die Gestaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung, aber wir haben eben
auch zum Beispiel kein Streikrecht. Der Sicherstellungsauftrag hat für uns aus
meiner Sicht inzwischen mehr negative Folgen als positive Auswirkungen. Ich bin
ein großer Freund der Selbstverwaltung, aber wenn die Selbstverwaltung zum
Umsetzungsorgan verworrener Ideen von Politik und Krankenkassen degradiert
wird, dann stellt sich mir schon die Frage: Wie lange wollen und wie lange
dürfen wir dieses Spiel noch mitspielen?“