Von der Politik vergessen – der ambulante medizinische Sektor

Liebe MEDI-Kolleginnen und Kollegen,

ein aufregendes  und anstrengendes  Jahr neigt sich langsam dem Ende zu.

Geprägt war das Jahr 2020 ganz wesentlich durch die Corona-Pandemie, die  uns einiges an Arbeit, Veränderungen und Herausforderungen gebracht hat.

Besonders gravierend war der erste  Lock-Down im Frühjahr und der nun immer noch andauernde 2. Lockdown. Das  private  und öffentliche Leben sind eingeschränkt und der persönliche  Kontakt untereinander, bisher selbstverständlich, ist nicht mehr möglich und wird auch wohl bis weit in das neue Jahr hinein nicht möglich sein. Das bedeutet natürlich auch, dass unsere MEDI-Kontakte, die QM-Tage und vieles mehr nicht mehr möglich waren und es bis auf weiteres auch nicht sein werden.

In sehr hoher  Frequenz haben die KBV und die KV uns in diesem Jahr mit den gesetzlichen Änderungen überzogen, neue Richtlinien und Regelungen in Ergänzung der politischen Berg- und Talfahrt-Entscheidungen weitergegeben. Nicht immer allgemeinverständlich. Durch den MEDI-Newsletter wurde aber Vieles  erklärt, verständlich gemacht und in praktikable Handlungsanleitungen umgesetzt.

MEDI wird sich auch weiterhin in diesem Bereich weiter engagieren

MEDI ist und bleibt aktiv, wie Sie den Rundmails von MEDI und auch der MEDI-Homepage entnehmen können.
MEDI informierte und informiert weiterhin zu den Missständen zu Beginn der Corona-Pandemie und hat auch unter anderem in einem offenen Brief an das Gesundheitsministerium in Mainz speziell die Missstände im Bereich der Schutzausrüstung der Arztpraxen im Land angeprangert. MEDI hatte in eigener Regie organisiert, dass Schutzmasken und Anzüge beschafft und die Praxen damit versorgt wurden. Missstände gibt es aber immer noch!

Vieles hätte seitens der Politik in den Sommermonaten besser geregelt werden können – die  2. Welle war zu erwarten, ist  viel diskutiert worden, aber einheitliche Regelungen wurden nicht gefunden. Dies trägt nicht zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei.  Ein Missstand der uns Ärzte besonders betrifft:

  • weil wir an vorderster Front unsere Arbeit tun sollen und dabei immer wieder unnötige Diskussionen führen müssen.
  • weil wir besondere  Maßnahmen zur Hygiene treffen müssen, ohne adäquate finanzielle Ausstattung und Unterstützung.
  • weil wir ein besonderes  Ansteckungs-  und Erkrankungsrisiko tragen  und im  Ernstfall als Selbständige nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen können.

Anscheinend hat die Politik uns schon vergessen! 

Anfang des Jahres wurden Pflegepersonal und Krankenhausärzte als System-relevant kategorisiert und hofiert, damit sie über ihre schon vorhandene chronische Überlastung und Unterfinanzierung hinaus, die Lasten der Pandemie auch noch übernehmen.

Die niedergelassene Ärzteschaft wurde aber dabei nicht erwähnt, auch im ersten Entwurf für die Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, wurden der ambulante Medizinische Sektor im Gegensatz zum stationären Bereich gar nicht erwähnt.  Dabei tragen die 160.000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland quantitativ die Hauptlast bei der Versorgung von Covid-19-Verdachtsfällen und -Erkrankten – zuzüglich zur medizinischen Betreuung von fast vier Millionen Patientinnen und Patienten, die jeden Tag in einer Praxis vorstellig werden.
Zusätzlich haben wir einen großen Teil der Arbeit des ÖGD übernommen, der für eine solche Pandemie nicht gerüstet war. Eine oftmals kaum mehr zu bewältigende Leistungsdichte, die größtenteils multimorbiden, chronisch kranken Patienten erfordern die gesamte Aufmerksamkeit.
Noch ist es nicht so wie in Italien, wo die Ängste und Aggressionen der leidgeprüften Bevölkerung sich leider schon gegen die anfangs hochgelobten Pflegeberufe und Ärzte richten und diese wegen der neuen Einschränkungen aber auch wegen des Risikos, sich bei diesen Personengruppen anzustecken, geächtet und isoliert werden.

Die niedergelassene Ärzteschaft ist in diesem Herbst wieder besonders gefordert und spielt in der rollenden Grippe-/Corona-Saison eine wichtige, tragende Rolle. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist mit dieser Pandemie trotz Aufrüstung und Unterstützung, unter anderem durch das Militär, weiterhin hoffnungslos überfordert.
Ab 27. Dezember kommt für viele Kolleginnen und Kollegen auch noch die Besetzung der Impfzentralen dazu.

Wie oft wurde unsere Unterstützung durch Herrn Spahn kommentiert?

Wurde unser Engagement von den Krankenkassen honoriert? Bei Leibe nicht! In den letzten Honorar-Verhandlungen hat die KBV einmal mehr ein „sozialgemäßigtes“ Angebot auf den Tisch gelegt, die Krankenkassen haben dies mit einem Federstrich vom Tisch gefegt. Die Ärzteschaft hat sich einmal mehr mit einem Abschluss unterhalb der Inflationsgrenze begnügen müssen, magere 1,25 % und nur 0,1373 Cent  mehr pro Punkt sollen unsere Honorareinbußen und Mehrausgaben decken!

Die immensen Kosten der Pandemie werden in den nächsten Jahren immer wieder Grund für nicht adäquate Steigerungen der Honorare sein (oder vorgeschoben). Dies wird unter anderem eines der wichtigen Themen von MEDI sein. Gerade mit unserer Bundesvertretung MEDIGENO Deutschland werden wir hier aktiv werden.

MEDI Südwest hat für uns Ärzte Verträge ausgehandelt! So wurde unter anderem der Impfvertrag mit der BKK erneuert und MEDI Südwest hat mit der „Apotheke in der MED“ einen verlässlichen Partner der uns genug und günstigen Grippeimpfstoff zur Verfügung stellt. Selbst bei der aktuellen Impfstoffknappheit sind die MEDI-Mitglieder, die Impfstoff vorbestellt haben, gut bedient worden!

MEDI informiert zu weiteren aktuellen Themen wie zum Beispiel Telematik und aktueller Gesundheitspolitik.  Gerade der letzte Punkt ist für uns Ärzte – egal ob Allgemeinmediziner/Hausarzt oder Facharzt – extrem wichtig, weil uns die Informationen der KV und der KBV oft nicht zeitnah erreichen und zudem hochkompliziert sind.

Wo sind die Ärzte?

Die Ärzteschaft wird in Zukunft mit dem Problem kämpfen, dass zunehmend keine Nachfolger für die Praxen zu finden sein werden. Die Honorarerwartungen, die die jungen Kollegen aus den Kliniken mitbringen, können durch solche Fehlabschlüsse nicht bedient werden. Und wenn wir noch ein vernünftiges Honorar erwirtschaften wollen, dann geht das mittlerweile nur noch durch Selbstausbeutung!

Das ist niemals vereinbar mit der „Work-Life-Balance“, welche von den jungen Kollegen erwartet wird. Selbst die Anstrengung unsererseits, junge Ärzte wenigstens als angestellte Ärzte in die Praxis zu bringen, ist durch solche Honorarabschlüsse konterkariert. Und überhaupt – der Nachwuchs fehlt! Selbst in Großstädten wie Berlin und Hamburg, die bisher nie mit Nachbesetzungsproblemen zu kämpfen hatten, sind nun freie Arztsitze vorhanden. In ländlichen Regionen wie im Saarland, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern werden hier bis zu 12,3 % erreicht. Und in Rheinland-Pfalz sind es immerhin 9,5 % und das ist der Stand von 2019! Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Für die Zukunft wird in Rheinland-Pfalz eine Quote von bis zu 40 % diskutiert. Welche Maßnahmen hat die Politik in Planung? Keine! 

In den letzten 20 Jahren wurden die Studienplätze so weit reduziert, dass jedes Jahr ca. 6000 Ärzte zu wenig ausgebildet wurden und werden, denn eine Erhöhung der Studienplätze wurde bisher nicht in Aussicht gestellt. Lediglich eine „Quote“ für Medizinstudenten, die eine Hausarzt-Praxis übernehmen wollen, wurde eingeführt. Dies ist noch nicht mal ein „Tropfen auf den heißen Stein“, zumal ja auch bei den Fachärzten ein erheblicher Mangel zu erwarten ist. Das  Problem wird in bewährter Kohl‘scher Manier von allen politischen Parteien ausgesessen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind in Zukunft weitaus mehr gefordert, wieder politisch aktiv zu werden!

Wir „MEDI-aner“ müssen bei den nächsten Wahlen für die KV präsent sein, wir müssen unseren Forderungen mehr Gewicht verleihen können.

Das geht nur, wenn wir den Gedanken von MEDIgemeinsam sind wir stark – wieder mit Leben füllen.

Somit ist es höchste Zeit, dass wir uns wieder verstärkt austauschen – fachübergreifend.

Wer von Ihnen ist bereit, wieder mitzuarbeiten und für die gemeinsame Sache zu streiten?

Wer von Ihnen kennt jemand, der mitarbeiten würde? Teilen Sie uns dies mit, MEDI Südwest nimmt gerne Kontakt mit Interessierten auf!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Thomas Dambach

Delegierter MEDI Südpfalz