Was bringt das TSVG?

Liebe MEDI-Südwest Mitglieder,            

Am 11.05.2019 ist das TSVG in Kraft getreten. Es hat grundsätzlich zum Ziel, dass Patienten schneller Termine bei Haus- und Fachärzten sowie Psychotherapeuten erhalten.   

Extrabudgetäre Vergütung für neue Patienten

Den Haus- und Fachärzten der Grundversorgung werden ab dem 01.09.2019 bei neuen Patienten alle erbrachten Leistungen im Behandlungsfall extrabudgetär vergütet. Als „neu“ gilt ein Patient, der

 -in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt wird

oder

– mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis war.

Extrabudgetäre Vergütung bei offenen Sprechstunden

Die Fachärzte der grundversorgenden und wohnortnahen Patientenversorgung sind verpflichtet, ab dem 01.09.2019 öffentlich mindestens fünf offene Sprechstunden je Woche ohne Terminvereinbarung (bei einem vollen Versorgungsauftrag; bei reduziertem Versorgungsumfang anteilig) anzubieten.

Dafür erhalten diese Ärzte im Behandlungsfall für alle Leistungen, die sie in den offenen Sprechstunden erbringen, eine extrabudgetäre Vergütung. Die Höhe dieser Vergütung ist auf den Umfang von maximal fünf Wochenstunden begrenzt (bei reduziertem Versorgungsumfang anteilig).

Zuschlag für Terminvermittlung beim Facharzt

Hausärzte erhalten ab dem 01.09.2019 einen Zuschlag von mindestens 10 Euro für die erfolgreiche Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt, soweit der Patient nicht schon im laufenden Quartal in Behandlung beim Facharzt oder der Arztgruppe war. (EBM Nr. 03008 EBM)  

Der Hausarzt muss genau prüfen, ob es sich um einen medizinisch indizierten dringenden Termin handelt.

Ab dem 2. Quartal 2020 soll es nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses fünf Kriterien geben, nach denen der Hausarzt seine Entscheidung treffen muss.

Diskussionen mit Patienten über Dringlichkeit und die Kriterien drohen. Die BSNR muss immer korrekt erfragt und notiert werden. Terminvereinbarungen sind an MFA delegierbar. Mit 15 Minuten pro Termin an Zeitaufwand ist betriebswirtschaftlich zu rechnen

Die Gebührenordnungsposition 03008 ist gemäß § 17a BMV-Ä nur berechnungsfähig, sofern der vermittelte Termin beim Facharzt innerhalb eines Zeitraums von vier Kalendertagen nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit liegt.

Als erster Zähltag für die Bestimmung der Anzahl der Kalendertage bis zum Termin der fachärztlichen Behandlung gilt der Tag nach der Feststellung der dringenden Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt. Für die Bestimmung des Fristendes ist allein auf Kalendertage abzustellen. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so endet die Frist dennoch an diesem Tag.

Die 10 EUR und extrabudgetäre Leistungen gibt es aber auch nur, wenn es sich um einen neuen Patienten handelt.

Dieser darf sich also nicht bereits in fachärztlicher Behandlung befinden (keine Unterscheidung zwischen laufender Behandlung und Neuerkrankung)

Die Gebührenordnungsposition 03008 ist daher nicht berechnungsfähig, wenn der vermittelte Patient nach Kenntnis des vermittelnden Arztes bei der an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztgruppe derselben Praxis in demselben Quartal bereits behandelt wurde. Der Arzt ist verpflichtet, sich zu erkundigen, ob der Patient in demselben Quartal bei dieser Arztgruppe in dieser Praxis bereits behandelt wurde.

Die Abrechnung der Nr. 03008 EBM ist mit all dem bürokratischen Aufwand eigentlich nur kostendeckend bei einer relativ hohen Anzahl an Vermittlungen.  

Aber Achtung: Nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses gilt eine Praxis mit mehr als 15 Prozent solcher Vermittlungsfälle im Quartal als „auffällig“.  

Terminservicestelle: Zusatzleistungen für vermittelte Patienten

Für Leistungen bei Versicherten, die durch die Terminservicestelle (TSS) vermittelt werden, erhalten Ärzte künftig eine extrabudgetäre Vergütung.

Ärzte erhalten ab dem 01.09.2019 für die Behandlung von Versicherten, die durch die TSS vermittelt werden, einen extrabudgetären Zuschlag auf die Versicherten- bzw. Grundpauschalen, und zwar in Abhängigkeit von der Wartezeit auf einen Termin. Der Zuschlag beträgt

  • -50 Prozent für die Behandlung in Akutfällen innerhalb von 24 Stunden sowie innerhalb von acht Tagen,
  • 30 Prozent für die Behandlung innerhalb von 9 bis 14 Tagen,
  • 20 Prozent für die Behandlung innerhalb von 15 bis 35 Tagen.

Hausärztliche Behandlung eines über die TSS vermittelten 56-jährigen Patienten am 10. Tag nach Kontaktaufnahme mit der TSS

  • Abrechnung der Versichertenpauschale Nr. 03004 (und ggf. weiterer Leistungen) sowie
  • Abrechnung der Nr. 03010C (TSS-Terminfall 9. bis 14. Tag)

Das PVS berechnet automatisch den Zuschlag von 30 Prozent auf die mit 157 Punkten bewertete Versichertenpauschale und setzt dies in die Nr. 03014C (Zusatzpauschale TSS-Terminvermittlung 55. bis 75. Lebensjahr = 47,1 Punkte) um

Chirurgische Behandlung eines über die TSS vermittelten 30-jährigen Patienten am 3. Tag nach Kontaktaufnahme mit der TSS

  • Abrechnung der chirurgischen Grundpauschale Nr. 07211 (und ggf. weiterer Leistungen) sowie Abrechnung der Nr. 07228B (TSS-Terminfall 1. bis 8. Tag)

 Das PVS berechnet automatisch den Zuschlag von 50 Prozent auf die mit 221 Punkten bewertete Versichertenpauschale und setzt dies in die Nr. 07911B (Zusatzpauschale TSS-Terminvermittlung 6. bis 59. Lebensjahr = 110,5 Punkte) um.

Damit der Zuschlag mit dem zutreffenden Zusatzbuchstaben abgerechnet werden kann, teilt die TSS den Praxen ab dem 01.09.2019 den Tag der Kontaktaufnahme des Versicherten bei der TSS mit. Dieser Tag gilt als der erste Tag für die Berechnung des Zuschlags.  Unverändert muss dieser TSS-Fall zusätzlich im KVDT-Feld 4103 „TSVGVermittlungs-/Kontaktart“ mit „1 = TSS-Terminfall“ gekennzeichnet werden. 

Fazit/Bewertung des TSVG:

Ganz nach dem altbekannten Motto: Gut gedacht – schlecht gemacht! ist das TSVG ein echtes Ärgernis.

Die Ärzte werden mit weiterer, überbürdender Bürokratie belastet und auch sofort wieder kriminalisiert.

Die Terminvereinbarung durch Hausärzte ist kaum wirtschaftlich darstellbar. Der Aufwand für eine Terminvereinbarung ist sehr hoch. Wenn überhaupt, dann wäre es nur im größeren Umfang interessant. Dem wurde aber auch gleich wieder ein Riegel vorgeschoben und die Menge begrenzt. Die so angedrohten Wirtschaftlichkeitsprüfungen für hausärztliche Terminvermittlungen sind das völlig falsche Signal. Was sollen da die Kolleginnen und Kollegen in der ländlichen Region sagen, das Überschreiten der 15% Marke ist da fast zu erwarten. Die Frage, ob bei Nichterscheinen des Patienten beim vereinbarten Termin dem Hausarzt Probleme mit der Plausibilität entstehen, ist bisher nicht geklärt und zu befürchten. Aus unserer Sicht ist die Terminvermittlung durch den Hausarzt mit äußerster Vorsicht zu genießen, alle Voraussetzungen sind streng einzuhalten, will man nicht Gefahr laufen einen großen Aufwand betrieben zu haben und am Ende mit leeren Händen, oder gar einer Wirtschaftlichkeitsprüfung dazustehen.
Ihr MEDI Südwest Team