Vorsicht bei Ansatz von Gesprächsziffern

Im Rahmen der letzten EBM-Reform wurden die Gesprächsleistungen nach den EBM-Nrn. 03230/ 04230, 35100 und 35110 deutlich aufgewertet:

  • für die Nrn. 03230/04230 von 90 auf 128 Punkte (+ 42 Prozent) und
  • für die Nrn. 35100/35110 von 152 auf 193 Punkte (+ 27 Prozent).

Im Gegenzug dazu wurden die Punktzahlvolumen für die Versicherten- und Vorhaltepauschalen abgesenkt. Ein Kompensation ist für viele Ärzte daher nur über die Gesprächsleistungen darstellbar. MEDI Südwest hat diese Neugestaltung bereits kritisch dargestellt und darauf hingewiesen, dass hier inbesondere größeren Praxen mit vielen Patienten und einem hohen Anteil an technisches Leistungen sogar ein wirtschaftlicher Nachteil droht.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Leistungen unebgrenzt gesteigert werden können. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die Prüfgremien die Mengenentwicklung bei den Gesprächsleistungen genau beobachten.

Indikationen

Die Leistungslegende der Nrn. 03230/04230 lautet „Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist“. Erforderlich ist also ein längeres Gespräch (mindestens zehn Minuten), beispielsweise zur Wechselwirkung verschiedener Arzneimittel oder zur Bewältigung spezifischer Einschränkungen im Patientenalltag, abgerechnet werden können.

Dokumentation

Der obligate Leistungsumfang fordert zwar explizit keine spezielle Dokumentation. Gleichwohl sollten sich aus der Dokumentation in der Patientenakte der Grund für das ausführliche Gespräch sowie der wesentliche Inhalt ergeben.

Zeitdauer und Häufigkeit

Die Nrn. 03230/04230 können nur bei Gesprächen von mindestens zehn Minuten Dauer berechnet werden, bei einem 30-minütigen Gespräch also dreimal. Kürzere Gespräche von weniger als zehn Minuten sind nicht berechnungsfähig, sondern mit der Versichertenpauschale abgegolten. Dies gilt leider auch dann, wenn in verschiedenen Sitzungen mehrere kürzere Gespräche geführt werden, die in der Addition zehn Minuten und mehr ergeben.

Telefonische Gespräche

Für telefonische Gespräche können die Nrn. 03230/04230 nicht berechnet werden. Telefonische Gespräche sind nur nach den Nrn. 01434 (bis zunächst zum 30.06.2020) bzw. 01435 berechnungsfähig. Im Rahmen einer Videosprechstunde können die Nrn. 03230/04230 jedoch wohl abgerechnet werden!

Gespräche mit Bezugspersonen

Mit den Nrn. 03230/04230 sind auch Gespräche von mindestens zehn Minuten Dauer mit Bezugspersonen des Versicherten berechnungsfähig. Unter Bezugsperson versteht man Personen, die eine persönliche oder soziale Bindung zu dem Versicherten haben.

Abrechnung der EBM-Nrn. 35100/35110

Anders als bei den Nrn. 03230/04230 geht es bei den Nrn. 35100/35110 um spezielle Gespräche als Maßnahmen im Rahmen der Psychotherapie.

Indikationen

Bei den EBM-Nrn. 35100 und 35110 handelt es sich um Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung im Sinne der Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). § 27 Abs. 1 der Psychotherapie-Richtlinie regelt, bei welchen Indikationen Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung zur Anwendung kommen können. Dies sind:

  • 1. Affektive Störungen: depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie
  • 2. Angststörungen und Zwangsstörungen
  • 3. Somatoforme Störungen und Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
  • 4. Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
  • 5. Essstörungen
  • 6. Nichtorganische Schlafstörungen
  • 7. Sexuelle Funktionsstörungen
  • 8. Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen
  • 9. Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend.

Verdachts- und Ausschluss-Diagnostik

Die Leistungslegende der Nr. 35100 lautet: „Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände“. Daraus folgt, dass diese auch im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik (Zusatzkennzeichen „A“) bzw. Verdachtsdiagnostik (Zusatzkennzeichen „V“) abgerechnet werden kann. Demgegenüber setzt die Abrechnung der verbalen Intervention nach Nr. 35110 eine gesicherte Diagnose mit dem Zusatzkennzeichen „G“ voraus. Dies ergibt sich daraus, dass nach der Leistungslegende ein solches Gespräch nur bei Vorliegen psychosomatischer Krankheitszustände abgerechnet werden kann.

Dokumentation

Nach § 38 der Psychotherapie-Richtlinie ist in der schriftlichen Dokumentation in der Patientenakte die Angabe

  • des Datums der Leistungserbringung,
  • der diagnostischen Erhebungen,
  • der wesentlichen Inhalte der psychotherapeutischen Interventionen sowie
  • der Ergebnisse erforderlich.

Obligater Leistungsinhalt für die Abrechnung der Nr. 35100 ist zudem ein schriftlicher Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge zwischen psychischer und somatischer Erkrankung.

Die KV Rheinland-Pfalz verlangt die Angabe entsprechender ICD-10-Diagnosen aus dem Kapitel V (F31 bis F39, F40 bis F48, F50 bis F59, F60 bis F69, F90 bis F98, F99) auf dem Abrechnungsschein.

Zeitdauer und Häufigkeit

Die Mindestdauer für die Berechnung der Nrn. 35100 und 35110 beträgt 15  Minuten. Auch wenn die differenzialdiagnostische Klärung oder die verbale Intervention deutlich länger als 15 Minuten dauert, sind diese Ziffern nur einmal berechnungsfähig. Die verbale Intervention nach Nr. 35110 kann jedoch bis zu dreimal an einem Tag abgerechnet werden. Voraussetzung ist, dass es sich dabei jeweils um eine neue Sitzung handelt. Die jeweilige Uhrzeit ist in diesem Fall anzugeben.

Der exakte Zeitaufwand selbst muss in den Behandlungsunterlagen nicht dokumentiert werden. Insbesondere muss nicht angegeben werden, zu welcher Uhrzeit (von wann bis wann) die Leistung erbracht wurde. Mit der Abrechnung der Nrn. 35100 bzw. 35110 versichert der Arzt, dass die Leistungserbringung mindestens 15 Minuten in Anspruch genommen hat.

Telefonische Gespräche

Die Leistungen erfordern einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt, sind also telefonisch nicht erbringbar!

Ausnahme: Die Nr. 35110 kann auch im Rahmen einer Videosprechstunde abgerechnet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt zur Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung vorausgegangen ist.